Noch bevor das Buch „Complaint!“ mit der sogenannten Schmutztitelseite, der ersten, dem Titelblatt vorangestellten Seite startet, sind ihm 4 Einzelseiten vorangestellt, die mit „Praise for Sara Ahmed“ übertitelt sind. Hierbei handelt es sich um lobende Worte von Kolleg*innen oder rezensierender Medien (wie Library Journal oder Los Angeles Review of Books) für sechs frühere Publikationen von Ahmed, für „What’s The Use. On the Uses of Use“ (2019), „Living a Feminist Life“ (2017), „Willful Subjects“ (2014), „On Being Included. Racism and Diversity in Institutional Life“ (2012), „The Promis of Happiness“ (2010) und „Queer Phenomenology. Orientations, Objects, Others“ (2006), die im Verlag Duke University Press erschienen sind.
Sara Ahmed ist eine sehr produktive, freie Wissenschaftlerin und Autorin, die erforscht, wie Macht in Sprache/n, Familien, Beziehungen, Alltag, Institutionen und Kulturen wirkt, Geschlechtsidentitäten zuweist/performiert und in tradierte hetero-patriarchale Bahnen lenkt, wie Macht missbraucht wird, aber auch, wie Machtmissbrauch identifiziert sowie existierende Hierachien und Ungleichheiten abgebaut werden können, welche Formen des Widerstands existieren und was es „kostet“, sich widerständig zu Wort zu melden und zu verhalten. In ihren mittlerweile elf Büchern setzt sie die Instrumente der intersektionalen feministischen Kulturanalyse ein, um institutionelle Strukturen und Auswirkungen von Heteronormativität, Rassifizierung, kolonialer Macht und heteropatriarchaler Geschlechterzuweisung sichtbar zu machen. Ihre Buchpublikationen stehen ebenso wie ihre Blogeinträge auf https://feministkilljoys.com inmitten der Untersuchungen und Methoden von Affekttheorien, Cultural Studies, Critical Race Studies, Queer Theory und feministischer Theorien. Ahmed interessiert, wie Regierungen funktionieren und wie sie herausgefordert und zu alternativen Zukünften verändert werden können. Indem sie Mobbing, Belästigung, emotionalen Missbrauch, Gewalt, Körperverletzung oder Vergewaltigung im häuslichen und akademischen Umfeld reflektiert, untersucht sie die verworrenen und verschlungenen, meist kaum durchdring- und sezierbaren Prozesse, die sich inmitten von (auch institutionalisiertem) Sexismus, Rassismus und kolonialer Gewalt überschneiden.
Aber @Verlag Duke, eine Publikation mit 4 Seiten Lob zu starten, um dann zu der Titelseite mit dem Namen der Autorin und dem Titel der Publikation zu kommen, ist eine Verlagsentscheidung, die kaum nachzuvollziehen ist. Werbung ist (vielleicht) sinnvoll an den Stellen zu platzieren, an denen potentielle Leser*innen angesprochen oder Leseentscheidungen beeinflusst werden können: auf der Buchrückseite, auf Verlagswebseiten, in Flyern, in den sozialen Medien. Hier können Lobeshymnen (vielleicht) Aufmerksamkeit und Wirkung erzielen. Ein Buch hingegen innerhalb des Leseteils und noch vor Beginn des Buches zu bewerben, ist mir nicht verständlich. Der Innenteil eines Buches ist der Autorin und ihrem Text vorbehalten. Ich wäre neugierig, wie Ahmed selbst diese 4 Seiten dekonstruieren und in einen Wirkmechanismus von institutionellen Macht-, Wissens- und Wahrheitsoperationen setzen würde. Aber nun bin ich gespannt auf die Lektüre …