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Neither the devouring nor the gaping, neither the invisible nor the unnoticed, neither the threatening nor the unclosable gap, but the gap that is recognized and acknowledged.

“Mind the Gap” is the motif of the first illustration in Sara Ahmed’s book “Complaint!”, page 30: In a view from above, the lettering “MIND THE GAP” is embedded in a floor mosaic on the edge of a train platform; the train tracks can still be seen at the upper edge of the picture. The caption is: “The gap between what is supposed to happen and what does happen.”

This sentence refers to Ahmed’s observation of complaint processes on the same page of the book: Here, something does not coincide, namely that which is supposed to happen by means of a complaint in accordance with the policies and procedures and that which actually happens. There is a gap between the two, the should and the is. This gap is “densely populated” (p. 30), says the continuous text above the illustration, it should be paid attention to: “To mind the gap is to listen and learn from those who are experiencing a process.” (ibid).

“Mind the Gap” is the safety notice that can be seen at London Underground stations and heard as an announcement, a warning to passengers not to fall into the gap between the platform and the threshold of the tube. “Mind the Gap” is also the slogan of the London Student Feminists at the University of London, but here with a call to value and promote gender difference. One phrase, two applications, two meanings: one to pay attention to the gap in order to overcome it, the other to pay attention to the gap in order to acknowledge it. Ahmed’s variant combines both the warning and the expression of respect: to take care of the gap means first to recognize it, then to acknowledge it. 

That this message is visualized with the black-and-white illustration of the London Underground at Victoria station, where subway stations meet at different levels of elevation and construction, indicates Ahmed’s interest in the operational level of her topic, “Complaint!” How do which (cultural, institutional, linguistic) techniques meet, how can they be connected or made connectable without leveling their differences? How can differences not be ignored, how can differences be recognized as differences without stigmatizing them into difference? How can closures (of gaps) take place without closing them, but keeping them unclosed? “Mind the Gap” means with Ahmed: notice and respect the gap.

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Weder die verschlingende noch die klaffende, weder die unsichtbare noch die unbeachtete, weder die drohende noch die unschließbare Lücke, sondern die Lücke, die erkannt und anerkannt wird.

„Mind the Gap“ ist das Bildmotiv der ersten Abbildung innerhalb von Sara Ahmeds Buch „Complaint!“, auf Seite 30: Zu sehen ist in einer Ansicht von oben der, in ein Bodenmosaik eingelassene Schriftzug „MIND THE GAP“ an einer Bahnsteigkante; am oberen Bildrand sind noch die Zuggleise zu sehen. Die Bildunterschrift lautet: „The gap between what is supposed to happen and what does happen.“ (Die Kluft zwischen dem, was geschehen soll, und dem, was tatsächlich geschieht.) 

Dieser Satz bezieht sich auf Ahmeds Beobachtung von Beschwerdevorgängen auf der gleichen Seite des Buches: Hier fällt etwas nicht in eins, und zwar dasjenige, was mittels einer Beschwerde in Übereinstimmung mit den Richtlinien und Verfahren geschehen soll, und dasjenige, was tatsächlich geschieht. Zwischen beidem, dem Soll und dem Ist, klafft eine Lücke. Diese Lücke sei „dicht bevölkert“ („densely populated“, S. 30), heisst es im Fließtext oberhalb der Abbildung, ihr solle Aufmerksamkeit geschenkt werden: „Sich um die Lücke zu kümmern, bedeutet, zuzuhören und von denjenigen zu lernen, die einen Prozess erleben.“ („to mind the gap is to listen and to learn from those who experience a process.“, ebd.)

„Achten Sie auf die Lücke“ lautet der Sicherheitshinweis, der an den Stationen der Londoner U-Bahn zu sehen und als Durchsage zu hören ist, ein Warnhinweis an die Passagiere, nicht in die Lücke zwischen Bahnsteig und Türschwelle der U-Bahn zu fallen. „Mind the Gap“ lautet auch der Slogan der London Student Feminists der Universität London, hier allerdings mit dem Aufruf, den Unterschied der Geschlechter zu wertschätzen und zu fördern. Ein Satz, zwei Anwendungen, zwei Bedeutungen: die eine, auf die Lücke zu achten, um sie zu überwinden, die anderen, die Lücke zu achten, um sie anzuerkennen. Ahmeds Variante kombiniert sowohl den Warnhinweis als auch die Respektbekundung miteinander: Sich um die Lücke zu kümmern, bedeutet zunächst einmal, sie zu erkennen, um sie dann anzuerkennen. 

Dass diese Botschaft mit der Schwarz-Weiss-Abbildung der Londoner Underground im Bahnhof Victoria visualisiert ist, in dem U-Bahn-Stationen auf unterschiedlichen Höhenniveaus und in unterschiedlicher Bauweise aufeinander treffen, deutet auf Ahmeds Interesse für die operative Ebene ihres Themas „Complaint!“ hin: Wie treffen welche (Kultur-, Institutions-, Sprach-) Techniken aufeinander, wie können sie aneinander anschließen oder anschließbar gemacht werden, ohne ihre Differenzen zu nivellieren? Wie können Differenzen nicht ignoriert werden, wie können Differenzen als Differenzen anerkannt werden, ohne sie zur Differenz zu stigmatisieren? Wie können Verschließungen (von Lücken) stattfinden, ohne sie zu verschließen, sondern sie entverschlossen zu halten? „Mind the Gap“ heißt mit Ahmed: Beachte und achte die Lücke.